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Semperoper in Dresden |
Ich bin Sachse und daher beginnt für mich die Krise im Sommer
2007 mit den Liquiditätsproblemen der
SachsenLB. Die SachsenLB hat sich mit diversen Investitionen, u.a. mit verbrieften Hypotheken, verspekuliert. Mir war vorher nur unterschwellig bewusst, dass der Freistaat Sachsen eine Landesbank besitzt. Ich habe mich aber, und das ist meine Schuld als Bürger, nie darum gekümmert, was diese Bank tut und welche Risiken sie anhäuft. Am Ende kam Sachsen mit einem blauen Auge aus der Geschichte. Die LBBW, zwischenzeitlich selbst in schweren Problem, hat Sachsen die Bank gegen Ausfallbürgschaften in Höhe von 2.75 Mrd.
EUR abgenommen. Den Garantien der anderen Landesbanken und Sparkassen zufolge, hat die Bank wohl um die 20 Mrd. EUR im Feuer gehabt.
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Geothermiekraftwerk auf Island |
Inzwischen sieht es so aus, als würden die vollen 2.75 Mrd. EUR fällig werden, das sind etwa
666 EUR pro Einwohner. Das ist viel Geld, aber es bringt uns nicht um. Im nächsten Jahr, 2008, ich war gerade mit meinem Studium fertig, gingen dann reihenweise Banken pleite, so dass ich mich hin und wieder fragte, ob am Montag der Geldautomat noch Geld ausspuckt oder nicht. Ich habe nach und nach Angst bekommen und kurz nach der Pleite von
Lehman mein Tagesgeldkonto bei
Kaupthing, einer isländischen Bank mit außerordentlich guten Zinsen, fast vollständig leer geräumt. Kurz danach ging Kaupthing pleite, auch weil viele Kunden einem ähnlichen
Herdentrieb wie ich gefolgt sind. Die Pleite ist also auch meine Schuld als untreuer Kunde, obwohl ich lediglich von meinen vertragsgemäßen Rechten Gebrauch gemacht habe. Den verbleibenden Minirest meines Geld hat mir Island ein Jahr später überwiesen, was in der Summe der vielen Kunden, ziemlich hart für Island war.
Das ist nun fast 6 Jahre her und damit dauert die Krise fast schon solange wie der
2. Weltkrieg. Es handelt sich allerdings um eine Krise, die in Deutschland im Alltag fast keine Auswirkungen hat. Es gab keinen
Bankrun, abgesehen von dem auf isländische Banken. Es gab ein paar Bankpleiten, aber eigentlich waren die Auswirkungen nicht schlimmer, als bei den Bankpleiten vor Beginn der Krise.
Die Krise hat sich in der zwischen Zeit etwas verschoben. Das Hauptthema ist nun nicht mehr die Frage von Bankpleiten, damit haben wir gelernt umzugehen, sondern die Frage der europäischen Solidarität.
Wer ist Schuld an der Krise?
Es gibt keine Gruppe von Verschwörern, die beschließt, wir machen eine Krise und dann gibt es Krise und die Gruppe verdient sich eine goldene Nase.
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Hinterradaufhängung meines
STEVENS Aspin Rennrad |
Viele Ökonomen verwenden gerne Beispiele und Modelle aus der Physik um bestimmte Phänomene zu beschreiben. Ich will das hier auch mal versuchen. Man kann bei einem
Fahrrad das Vorderrad in die Luft heben und auf dem Hinterrad balancieren. Das ist ein inverses Pendel mit einem instabilen Gleichgewichtszustand. Wenn sich nun das Rad nicht ganz im Gleichgewicht befindet, dann kann man die Kippwirkung nach vorn durch Beschleunigen kompensieren. Diesen Effekt kann man bei einem Hochstart beobachten. Das Problem dabei ist, dass, falls man nicht stark genug beschleunigt, immer weiter beschleunigen muss. Genauso kann man, falls das Vorderrad zu hoch ist die Kippwirkung nach hinten durch Bremsen kompensieren.
Bei der Wirtschaft findet der Ausgleich der Kippwirkung automatisch statt. Das Nennen wir Wirtschaftswachstum, welches Angebot und Nachfrage ausgleicht. Wenn es gut läuft, beschleunigt alles wie von alleine immer weiter, so wie in Spanien vor 2007 oder in Deutschland seit 2010. Läuft es schlecht verzögert alles von alleine, so wie in Deutschland 2003 oder in Spanien seit 2008.
Haben wir das Schlimmste hinter uns oder steht uns das erst bevor?
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Geld |
Ja. Ich bin fest davon überzeugt, dass es keinen Bankrun mehr geben wird, wie ich ihn 2008/09 noch gefürchtet habe. Seien wir ehrlich, im Vergleich zu den Krisen unserer Urgroßeltern und deren Eltern ist die aktuelle Krise eindeutig ein „first world problem“.
Sind die Schulden eigentlich rückzahlbar?
Ja, die Staaten Eurolandes einschließlich der Länder und Gemeinden werden alle ihre Schulden (fast immer) vertragsgemäß bedienen. Alles andere ist weder sinnvoll noch wünschenswert — aber auch nicht vorhersehbar.
Kann man den Politikern eigentlich noch trauen?
Ich halte die Politiker nicht für schuldig. Parlamente, Regierungen, aber auch Gerichte und Medien, sollten grundsätzlich immer kontrolliert werden. Das ist am Besten durch ein gewisses Maß an Misstrauen möglich.
Wenn die Frage meint, dass Politiker korrupt oder unfähig sind, dann lautet die Antwort, dass sie nicht korrupter oder unfähiger sind als der Durchschnitt.
Warum bekommen die Banken Geld, die Armen aber nicht?
Das folgende kann ich nicht mit Zahlen belegen, es handelt sich mehr um einen Eindruck. Wir benötigen Banken und diese brauchen zum Funktionieren Eigenkapital. Zu Beginn der Krise hatten sie zu wenig und da es ihnen niemand anders geben konnte und wollte, hatten wir keine echte Wahl.
Vor der Krise jedoch haben die Banken ihr Eigenkapital mutwillig reduziert und in Form von Bonuszahlungen, Dividenden und Aktienrückkäufe ausgeschüttet. Eigenkapitalrendite ist Rendite pro Eigenkapital und wenn man
25% erreichen will, kann man auch das Eigenkapital, also den Nenner, reduzieren. Das hätten wir alle unterbinden müssen. Als die Krise anfing war das Geld aber schon weg. Manchmal gibt es halt keine guten Lösungen (mehr).
Ich habe aber auch nicht den Eindruck, dass die Armen keinen Geld bekommen.
Können Griechenland, Italien etc. eigentlich ihre Schulden abbauen?
Man bezahlt die Zinsen auf die Schulden aus den Einnahmen. Daher ist die Kenngröße Schulden pro Bruttoinlandsprodukt entscheidend für die Fähigkeit Zinsen zu bezahlen. Damit ein Quotient kleiner wird muss der Zähler, also die Schulden, langsamer wachsen als der Nenner, das Bruttoinlandsprodukt. Und ja in diesem Sinne haben Italien und
Belgien schon öfters Schulden abgebaut — Deutschland aber auch. Eine sehr gute Darstellung dieser Zusammenhänge findet sich auf
http://blog.zeit.de/herdentrieb/2006/10/24/warum-der-staat-schulden-machen-darf_87.
Was würde passieren, wenn diese Länder keinerlei finanzielle Unterstützung mehr bekämen?
Vielleicht würde das Bruttoinlandsprodukt noch schneller fallen und damit die Fähigkeit Zinsen und Tilgungen zu bezahlen. Ich weiß es aber nicht.
Was können WIR BÜRGER zur Verbesserung der Finanzen/Weltwirtschaft beitragen?
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Mein Rad auf
einem schweizer Pass |
Ich habe zwei Dinge:
1) Wir sollten aufhören in der aktuellen Art von
1923 zu erzählen. Auch meine Großmutter hat mir noch Geld ihrer Eltern/Großeltern aus dem Jahre 1923 gezeigt (sie ist selbst erst 10 Jahre später geboren). 1923 war schlimm, aber es war auch nicht der Weltuntergang. Mit heute hat das nichts zu tun und daher ist panische Inflationsangst kein angemessener Ratgeber. Lasst und die Geschichte von 1923 lieber so erzählen: Die Franzosen und Belgier haben nach deutscher Provokation das
Ruhrgebiet besetzt und Deutschland hat den angeboten Krieg
ausgeschlagen, ganz im Sinne von: „Stell dir vor es ist Krieg und keiner geht hin“. Die Folgen waren schlimm, aber sie waren weniger schlimm als es ein weiterer Krieg gewesen wäre. Bloß mit heute hat das nichts zu tun.
2) Der Verzicht auf prozyklisches Handeln, also Widerstand gegen den Herdentrieb leisten, würde den Wirtschaftsverlauf stabilisieren. Leider scheint das für den Einzelnen nicht optimal zu sein, wie die Weisheit: „The trend is your friend“ beweist. Und ehrlich, wenn alle um uns herum ein neues Rennrad und Urlaub in der Schweiz haben, dann wollen wir das natürlich auch, da nehme ich mich gar nicht aus.
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